2020/2021

(The) Urban Unknown

Planning in Times of Uncertainty

Klimawandel, Bevölkerungswachstum und dynamisierte Urbanisierungsprozesse, politische und wirtschaftliche Instabilitäten, soziale Umwälzungen oder der Ausbruch von Krankheiten kennzeichnen die Zeit, in der wir leben. Wenngleich das Ausmaß und ihre Folgewirkungen der Krisen ungeahnte Dimensionen erreicht haben, so ist die ‚Krise‘ an sich nichts neues. Neu ist der Verlust sicher geglaubter Gewissheiten in einer zunehmend komplex verwobenen Welt. Die Menschen fühlen sich überfordert, die sozialen und räumlichen Transformationen verstärken die Ängste der Stadtbewohner:innen, was zu immer neuen Konflikten und Spannungen führt. Sich in der Welt einzurichten wie sie ist, eröffnet auf der anderen Seite neue Verbindungen menschlicher und nicht-menschlicher Akteure, die alternative urbane Erzählungen und Praktiken hervorbringen könnten. Gerade die Vorstellungen und Imaginationen von Zukunft bilden ein "unerschöpfliches Reservoir der Unsicherheit“ (Nowotny 2016). Sie sind aber auch ein Anreiz dafür, die gegenwärtigen Bedingungen zu erforschen, aus vergangenen Erfahrungen zu lernen und neues Wissen zu produzieren. So kann Unsicherheit eine Linse sein, um konstitutive, komplexe und wirkmächtige Prozesse zu beleuchten. Ungewissheit ist eine Perspektive zur Analyse wirtschaftlicher, politischer und sozio-kultureller gesellschaftlicher Entwicklungen und kann gleichermaßen eine produktive Kraft in der Neugestaltung städtische Lebensbedingungen sein.


Obwohl der Begriff der Ungewissheit die Geschichte der Urbanisierung von Anbeginn begleitet, hat er mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie eine neue Dringlichkeit erhalten. Die Pandemie und ihre Folgen verschärfen wirtschaftliche Krisen, vertiefen sozial-räumliche Ungleichheiten etwa im Zusammenhang mit dem Zugang zu Wohnraum, sozialer Infrastruktur, Pflege und Arbeit, schränken Mobilitäten ein und fordern dazu heraus, die Vitalität des öffentlichen Lebens neu zu denken und zu gestalten. In Zeiten der Pandemie werden die Städte zu Epizentren der sich ausbreitenden Krisen, wachsende Ungewissheiten durchziehen das tägliche Leben ihrer Bewohner:innen auf allen Ebenen. An diesem Punkt sind Stadtplaner:innen und Urban Designer:innen mit der Frage konfrontiert, wie sie mit einem konstruktiven Umgang mit Ungewissheit „Städte als Orte der Möglichkeiten“ (Simone 2016) gestalten können.


Dementsprechend sollen folgende Fragen im Rahmen des UD-Jahresthemas behandelt werden:


– Welchen Arten von Ungewissheiten begegnen Stadtbewohner:innen und welche Praktiken üben sie aus, um ihren Alltag unter diesen unsicheren Bedingungen gestalten zu können?
– Wie verhandeln, bewältigen und bearbeiten verschiedene städtische Akteure Ungewissheiten?
– Welche Ungewissheiten materialisieren sich in der Stadt und inwiefern nehmen sie während der COVID-19-Pandemie eine neue Dringlichkeit an?


Im Laufe des akademischen Jahres 2020/21 werden sich Studierende und Mitarbeiter:innen des Studiengangs Urban Design mit Fragen der Unsicherheit und ihrer Materialisierung in urbanen Kontexten beschäftigen. Wir werden uns mit theoretischen Konzepten, empirischen Daten und sozialen Erfahrungen auseinandersetzen, um alltägliche Situationen der Unsicherheit zu erkunden, zu analysieren und urbane Potentiale zu gestalten.


Wir werden uns mit diesem Jahresthema auf die Hamburger Innenstadt konzentrieren, die in den letzten Jahrzehnten vielfachen Transformationen unterlegen ist. Themen, Orte und Debatten wie Konsum, Freizeit, Tourismus, Wohnen und öffentlicher Raum bilden Schwerpunkte der Forschungsprojekte.
Im UDP1 wird die Innenstadt von Hamburg zunächst einer qualitativen Bestandsaufnahme unterzogen, es werden Inventare städtischer Orte der Unsicherheit erkundet, sowie Analysen materieller Bedingungen, politischer Programme, sozialer Praktiken und Handlungen erstellt. Im UDP3 fokussieren wir uns auf die urbane (Re)Produktion und die Verbindung von Wohnen und Arbeiten in der Stadt.




english


Climate change, global population growth and dynamic urbanization processes, political and economic instabilities, social upheavals, and the outbreak of diseases characterize the times we are living in. Although the extent and consequences of the crises have reached unimagined dimensions, the 'crisis' itself is nothing new. What is new is the loss of certainties that were believed to be certain in an increasingly complex, interwoven world. On the one hand, social and spatial transformations increase the anxieties of urban citizens, leading to constant conflicts and tensions; on the other hand, these social and spatial transformations allow new connections between human and non-human actors that could inspire alternative future urban narratives. It is precisely the ideas and imaginations of the future that form an "inexhaustible reservoir of insecurity" (Nowotny 2016). But they are also an incentive to explore the present conditions, to learn from past experiences, and to produce new knowledge. Thus, uncertainty can be interpreted as a lens for illuminating constitutive, complex, and powerful processes. Uncertainty is a perspective for analyzing economic, political and socio-cultural developments, and can equally be a productive force in the redesign of urban living conditions.


Although the concept of uncertainty has had a critical impact on the history of urbanization, it has taken a new urgency with the outbreak of the COVID 19 pandemic. The pandemic and its consequences aggravate economic crises, deepen socio-spatial inequalities, e.g. in access to housing, social infrastructure, care, and work, restrict mobility, and challenge urban researchers and designers to rethink and redesign the vitality of public life. In times of pandemic, cities around the world have become epicenters of the spreading crisis, and growing uncertainties infuse the daily lives of urban citizens at all levels. At this point, urban researchers and designers are confronted with the question of how they can constructively deal with uncertainty to (re-)design "cities as sites of potentiality" (Simone 2016).


The following questions will be dealt with within the context of the UD annual theme:


– What kinds of uncertainties do urban citizens encounter and what kinds of practices do they engage in in order to endure in volatile urban conditions?
– How do different urban actors negotiate, manage and trigger uncertainty?
– What uncertainties materialize in the city (Hamburg), and to what extent do they take a new urgency during the COVID-19 pandemic?


With this annual theme, we will concentrate on Hamburg's city center, which has undergone many transformations in recent decades. Topics, sites, and debates such as consumption, leisure, tourism, housing, and public space will be the focus of the research projects.
In UDP1, the inner city of Hamburg will first be subjected to a qualitative survey, inventories of urban places of uncertainty will be explored, and analyses through material conditions, political programs, social practices, and agencies. In UDP3 we will focus on the urban (re-)production and the relation of living and working in the city.

Annual theme cover

Contributions