02/05/2012 Guest Lecture by Sandra Evans: Sowjetisch Wohnen

Sowjetisch Wohnen
Aus dem Provisorium zur Lösung der Wohnraumkrise wurde ein permanenter lebensweltlicher Ausnahmezustand, der die Rolle der Sozialisations- und Disziplinierungsinstanz übernahm. Als Quintessenz des stalinistischen Alltags, als fortschrittliches Labor für den zukünftigen Kommunismus, als stalinistische Kollektivierung des Alltags und schließlich prägende Erfahrungs- und Lebenswelt bietet die sowjetische Kommunalwohnung einen ›intimen Raum‹, der als analytischer Behälter die komplexe Beziehung zwischen dem Staat und seinen Subjekten, zwischen dem Kollektiv und dem Individuum, und die daraus entstehende Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen in einem total(itär)en und hoch politisierten, aber gleichzeitig unbestimmten Wohnraum herausfordert und veranschaulicht. Die Kommunalka war demokratisch insofern, als sie ein schichten- und milieuübergreifendes Phänomen war und den Großteil der urbanen Sowjetbevölkerung in ihre Geschichte(n) einschloss. Noch im postsowjetischen Russland lässt sich die Kollektiv- oder Gemeinschaftsmentalität dieses sowjettypischen Wohnarrangements erkennen, am Arbeitsplatz oder in der Schlange beim Bäcker. Es soll ein soziohistorischer Einblick in diese skurrile Wohnform geleistet werden, in der sich laut Irina Ehrenburg „alles drängelte“.
Sandra Evans, BA International Studies mit Schwerpunkt Ost- und Mitteleuropa an der Portland State University und MA Russian Studies an der European University at St. Petersburg, hat am Slavischen Seminar der Universität Tübingen promoviert und ist derzeit Lehrbeauftragte dort.

Mittwoch, 2. Mai 2012, 19.30 Uhr
HafenCity Universität Hamburg
Averhoffstraße 38
Erdgeschoss, Raum 16 b

contributors

2011/2012

Wohnen als Praxis

Wohnen als Praxis