21-22/02/19 "Paradessenzen zwischen Stadtentwicklung und Modellprojekten. Auszüge aus einer Projektarchäologie." Workshop des Netzwerks kulturwissenschaftliche Stadtforschung in Wien

Mittels „Zwischenstadt“ versuchte der deutsche Stadtplaner Thomas Sieverts die Forschungs- und Gestaltungsfelder der Stadtplanung an das anzupassen, was es tatsächlich bedeutet zu leben: „Konzeptionelle Modelle und Planungskonzepte sind notwendig, aber die entscheidenden Elemente für eine menschlichere Entwicklung der Landschaft, in der wir leben, sind die Beziehungen der Menschen untereinander, zur kulturellen Qualität ihrer Stadt sowie zu Natur und Umwelt.“ Unverzichtbar für die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Kultivierung ist „ein neues politisches und administratives Verständnis der Landschaft, in der wir leben.“
Einige der empirischen Befunde Sieverts Veröffentlichungen zur „Zwischenstadt“ treffen auch auf die Situation des Projektes zu, dass den Ankerpunkt für meine Promotion darstellt: Seit im Herbst 2015 erste Informationen über eine geplante „Flüchtlingsunterkunft mit Perspektive Wohnen“ (UPW (1)) in Hamburg Poppenbüttel veröffentlicht wurden , engagieren sich zwei zivilgesellschaftliche Initiativen von Nachbar*innen des UPW Standorts gegenüber dem Projekt. Eine Initiative engagiert sich für „gute Integration.“ Die andere engagiert sich für die Realisierung eines Begegnungshauses „um im Rahmen einer sinnstiftenden Identifikation mit dem neuen Wohnort einen eigenen Beitrag der zukünftigen Bewohner der Festbauten zu den sozialen Einrichtungen zu leisten.“ Zwischen Golfclub, Einfamilienhäusern, Mehrgeschosswohnungsbau und Naherholungsgebiet an den Fransen der nördlichen Grenze des Dauersiedlungsraums Hamburgs gelegen, wurden im Rahmen einer projektstrukturierenden Phase einschlägige Akteure des Projektes Begegnungshaus Poppenbüttel in einem PPPP-Modell (2) versammelt, Realisierungsformate erprobt und die zukünftig notwendigen Ressourcen verfügbar gemacht.

Als Mitarbeiter des Lehr- und Forschungsprogramms Urban Design war ich von Dezember 2015 bis März 2018 aktiver Projektemacher und Beobachter im Projekt Begegnungshaus und kann mich dem Projekt nun in Form der Promotion „Re-Positioning Project Management in Urban Design“ widmen. In der Präsentation im Rahmen des Workshops möchte ich das Forschungsdesign strukturell als auch im Zoom-In auf einen Aspekt der Promotion in Relation zum Thema der Zwischenräume präsentieren und daran forschungspraktische und -konzeptionelle Aspekte diskutieren.

Zoom-In: „Paradessenzen zwischen Stadtentwicklung und Modellprojekten. Auszüge aus einer Projektarchäologie.“
Sieverts schreibt, dass „die diffuse Stadt ungeplant erscheint, sie aber von unzähligen individuellen rationalen Entscheidungen geprägt ist - zumindest für sich selbst betrachtet rational.“ Mit dem Abschluss der Hamburger Bürgerverträge (3) gelangten Not in my Backyard (NIMBY) Argumentationen (erneut), auf eine stadtpolitische Ebene, die das Projekt Begegnungshaus Poppenbüttel mit ins Leben gerufen haben und mit deren Opposition die Akteure in der Realisierung des Projektes umgehen mussten. Wie können individuell rationale und sich gegenüberstehende Vorstellungen des räumlich-kulturellen Dazwischens im Projektieren exploriert werden? Was können uns unterschiedliche Formen des Projektierens darüber sagen was es bedeutet heute zu leben und was es nun zu unternehmen gilt?

Sieverts, Thomas. 2008. Where We Live Now (Abridged). www.suddenly.org.
(1) Das Senatsprogramm Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen ist im November 2015 beschlossen worden, um für die große Zahl der schutzsuchenden Menschen ausreichende und angemessene Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Bei den Unterkünften handelt es sich um Festbauten im normalen Standard des geförderten Wohnungsbaus, also um Wohnungen mit eigenen Küchen und Bädern. Die Wohnungen sollen zunächst Flüchtlingen und später, soweit das dafür erforderliche Planrecht vorliegt, dem regulären Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen.
(2) Public, Private, Poeple Partnership. An dem Projekt arbeite(te)n Akteure der lokalen als auch städtischen Politik und Verwaltung, mehrere privatwirtschaftliche Planungs- und Sozialdienstleistungsunternehmen, zwei zivilgesellschaftliche Initiativen, zwei Gewerbeschulen und die HafenCity Universität projektförmig zusammen.
(3) Am 12. Juli 2016 hat sich die Volksinitiative "Hamburg für gute Integration" nach intensiven Verhandlungen mit der Stadt geeinigt und umfassende Bürgerverträge geschlossen. Die Verträge regeln zahlreiche Aspekte des Lebens in den Standorten im Programm Unterkünfte mit Perspektive Wohnen. Die Hamburger Bürgerschaft ermöglichte die Bürgerverträge als Absicherung gegen „einen Volksentscheid als nächsten Schritt in der Eskalation“ der Bürgerproteste gegen die Bauvorhaben im UPW Programm. Die Einigung mit der Volksinitiative wurde durch die Hamburger Bürgerschaft mit dem Beschluss der Drucksache 21/5231 vollendet.

Workshop des Netzwerks kulturwissenschaftliche Stadtforschung in Wien am 21. und 22. Februar 2019

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