Let's Play House – Ein Atlas. 2018/19

„LET‘S PLAY HOUSE! – EIN ATLAS“ – der Titel dieses Buches verspricht Großes, suggeriert eine Enzyklopädie, eine repräsentative Sammlung, lässt leise einen Vollständigkeitsanspruch mitschwingen. Ein Atlas ist aber nicht gleich ein Atlas. Er ist weit mehr und weit weniger, als der erste Eindruck zu vermitteln mag: Die Definition einer „Sammlung [gleichartig bearbeiteter] geografischer Karten in Buchform“ (Duden 2019) wird ihm nicht gerecht, ebenso wenig die „Sammlung von Bildtafeln aus einem Wissensgebiet“ (ebd.), obwohl diese Deutung schon eher beschreibt, was dieser Atlas verfolgt. Vielmehr handelt es sich hier aber um eine Gegenüberstellung: um eine Sammlung unterschiedlichster Perspektiven auf den Wohn- und Familienbegriff, um eine Kontextualisierung „DER sozialen Frage“ (Rosa-Luxemburg-Stiftung 2019) unserer Zeit, der Wohnungsfrage, um eine multidimensionale Katalogisierung ethnografischer Einblicke in die Alltäglichkeit ihrer Praxis. Er soll einen Teil der qualitativen Vielfältigkeit der Hamburger Wohnsituationen aufzeigen. Er soll ihr eine Stimme verleihen, wo quantitative Statistiken und öffentliche Diskurse, große Pläne der Stadt, ihre Bewohner*innen zum Schweigen bringen und die Wohnwirklichkeit oft genug zu ignorieren scheinen, wie sich in manchen der hier nachfolgenden Beispiele zeigt.

Wir möchten mit diesem Buch eine Klammer öffnen, um unter dem Titel „Let‘s Play House!“ über Wohn- und Familienvorstellungen der heutigen Zeit nachzudenken, die ihnen innewohnenden (reproduzierten) gesellschaftlichen Normen, politischen und z.T. instrumentalisierten Organisationsformen zu reflektieren, „interrogating housing“ (Richter 2018: 1) zu betreiben. Was bedeutet Familie heute? Welches Verständnis dieser sozialen Konstruktion manifestiert sich in Grundrissen und ist in physischer Architektur wortwörtlich in Stein gemeißelt (vgl. Dörhöfer 2007: 48)? Wie schlägt sich das auf soziale Praktiken des urbanen Wohnens, auf Wohnraum und Bewohner*innen nieder? Ist der traditionelle Familienbegriff längst veraltet (vgl. Circular 2018/19: 5)? Was heißt es, qualitativ forschend vorherrschende Wohn- und Familienideale zu „verhören“?

Die Gegenüberstellung des funktionalen Containerraums und des gelebten Raums, der diese gebaute Begrenzung sprengt, verdeutlichen die Diskrepanz zwischen den regulierten, „offiziellen“ Definitionen von Wohnen und den eigentlich alltäglich gelebten (Familien-)Vorstellungen des Sich-Wohnlich-Machens. Die Statik, die Endlichkeit des Habitats, sie wird den unendlichen und dynamischen sozialen Praktiken des Habiters nicht (mehr) gerecht. Im Gegenteil: Die Kluft zwischen dem existierenden, gebauten Wohnraum und der Notwendigkeit, den Bedürfnissen nach einem (angemessenen) Recht auf Wohnen in der Stadt, scheint drastisch. Das Problem, das sich hier zeigt, ist noch größer als die in diesem Buch versammelte Summe der Geschichten, es ist vielschichtiger, widersprüchlicher. Dieser Atlas, die Klammer, die wir öffnen, spiegelt nur eine selektive, flüchtige Momentaufnahme des (z.T. prekären) Wohnalltags in unseren urbanen Forschungsfeldern wider, die es auch in Zukunft stetig zu erweitern und kritisch zu hinterfragen gilt. Viele Akteur*innen lässt diese Sichtweise außen vor, andere bringt sie zum Sprechen, deren Anliegen und Lebenswirklichkeiten sonst, im öffentlichen Diskurs, vielleicht ausgeklammert werden. Dieser Atlas dient nicht dazu, nochmals darauf hinzuweisen, dass wir uns gegenwärtig in einer „Krise des Wohnens“ (Schwarte 2019) befinden; er soll sie zeigen. Statt uns in endlosen Debatten über die Wohnungsfrage zu verlieren, haben wir unseren interdisziplinären Werkzeugkasten gepackt und sind ins Feld gegangen. Das hier vereinte, qualitative Material, die persönlich geführten Gespräche, Beobachtungen und Annäherungen an die „Besonderheiten des Alltäglichen“, des Wohnens und der Familie, sprechen für sich.

Entstanden im Rahmen des Urban Design Projekts I
Let's Play House
WS 2018/19

contributors

2018/2019

Let’s play house

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